Rechtsschutz gegen Anordnungen von Aufsichtsorganisationen für Finanzinstitutionen

Rechtsschutz gegen Anordnungen von Aufsichtsorganisationen für Finanzinstitutionen

Die laufende Aufsicht über die Vermögensverwalter und die Trustees wird durch die AO gewährleistet. In diesem Zusammenhang stellen sich verschiedene Fragen hinsichtlich des Rechtsschutzes, der den Beaufsichtigten gegen Anordnungen der AO zukommt.

Bewilligungspflicht für Vermögensverwalter und Trustees

Seit der Einführung des Bundesgesetztes über die Finanzinstitutionen ("FINIG") am 1. Januar 2020 bedürfen – nebst den bisherigen Finanzinstitutionen (d.h. Wertpapierhäuser, Fondsleitungen und Verwalter von Kollektivvermögen) – auch Vermögensverwalter und Trustees einer Bewilligung der FINMA, sofern die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Vermögensverwalter bedürfen einer Bewilligung nach FINIG, wenn sie gestützt auf einen Auftrag gewerbsmässig im Namen und für Rechnung ihrer Kunden über deren Vermögenswerte verfügen können und gewisse Schwellenwerte in Bezug auf den Bruttoertrag, die Anzahl Kundenbeziehungen oder die verwalteten Vermögenswerte erreichen.
  • Trustees sind bewilligungspflichtig, wenn sie in der Schweiz oder von der Schweiz gestützt auf die Errichtungsurkunde eines Trusts gewerbsmässig Sondervermögen zugunsten der Begünstigten oder für einen bestimmten Zweck verwalten oder darüber verfügen und einen gewissen Mindestbruttoertrag erzielen oder als Trustee einer gewissen Anzahl Trusts fungieren.

Bewilligungsverfahren und Aufsicht über die Vermögensverwalter und Trustees

Vermögensverwalter und Trustees müssen sich zunächst mittels privatrechtlichen Vertrags einer AO anschliessen, welche das Gesuch vorabprüft, bevor die FINMA die Bewilligung für die entsprechende Tätigkeit erteilt.

  • Rechtsnatur der AO

Die AO sind privatrechtliche, mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beliehene Organisationen, die in Form einer juristischen Person nach Schweizer (Privat-)Recht organisiert sein müssen. Die AO werden von der FINMA bewilligt und beaufsichtigt. AO können auch als Selbstregulierungsorganisation (SRO) im Bereich GwG tätig sein, sofern sie über eine entsprechende Bewilligung unter der schweizerischen Geldwäschereigesetzgebung verfügen.

  • Aufgaben der AO

Die AO üben die laufende Aufsicht über die Vermögensverwalter und die Trustees aus. Dabei prü-fen sie, ob die Finanzinstitutionen die für sie massgeblichen Finanzmarktgesetze (d.h. FINIG und Finanzdienstleistungsgesetz ("FIDLEG")) einhalten und bewerten die Risiken der Tätigkeit sowie die Risiken der Organisation der Beaufsichtigten.

Die AO können die Prüfung wahlweise selbst ausführen oder Prüfgesellschaften beiziehen, die von ihnen selbst zugelassen und beaufsichtigt werden. Die Prüfung erfolgt grundsätzlich jährlich. Die Prüfperiodizität kann aber, sofern im konkreten Fall mit der Risikoklassifikation des Beaufsichtigten vereinbar, auf bis zu vier Jahre hinaufgesetzt werden.

Die Kosten für die laufende Aufsicht und für die Arbeit der Prüfgesellschaften tragen die Beaufsichtigten.

  • Kompetenzen der AO

Den AO kommt keine Verfügungskompetenz zu, da der Gesetzgeber ihnen diese nicht zukommen lassen wollte.

Die AO üben unter Zuhilfenahme der zugelassenen Prüfgesellschaften die laufende Aufsicht aus, die gestützt auf ein risikobasiertes Aufsichtskonzept zu erfolgen hat.

Die einzige gesetzliche Massnahme, welche die AO bei Verletzungen finanzmarktrechtlicher Vorgaben oder sonstige Missstände – z.B. organisatorischer Natur – ergreifen können, ist die Ansetzung einer Frist zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes. Dabei können sie weitreichende Massnahmen anordnen, welche der jeweilige Beaufsichtigte umzusetzen und zu berappen hat. Da die AO keine Verfügungskompetenz haben, ergeht die Anordnung als formfreier, nicht anfechtbarer Akt.

  • Verfahrenseintritt durch die FINMA

Hält ein Beaufsichtigter die von einer AO angesetzte Frist für die Wiederherstellung des ordnungs-gemässen Zustands nicht ein oder stellt eine AO eine schwere Verletzung des Aufsichtsrechts oder sonstige Missstände fest, die nicht im Rahmen der laufenden Aufsicht behoben werden können oder bei denen eine Fristansetzung zur Behebung als nicht zielführend erscheint, unterrichtet die AO die FINMA darüber. Die FINMA tritt dann in das Verfahren ein.

Im Gegensatz zur AO kann die FINMA ein Durchsetzungs- bzw. Enforcement-Verfahren eröffnen, bei dem sie sich – neben der Anordnung zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands – auch der Mittel der Eingriffsverwaltung bedienen kann.

Im Rahmen eines Enforcement-Verfahrens – welches sich nach den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes ("VwVG") richtet – kann die FINMA alle Massnahmen ergreifen und anordnen, die im Finanzmarktaufsichtsgesetz ("FINMAG") vorgesehen sind. Es handelt sich um folgende:

  • Anordnung zur Herstellung oder Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands;
  • Feststellung einer Aufsichtsrechtsverletzung und Anordnung von Ersatzvornahmen;
  • Aussprechen von Berufs- und Tätigkeitsverboten;
  • Veröffentlichung der rechtskräftigen Endverfügung unter Angabe von Personendaten (Naming and Shaming);
  • Einziehen von Gewinnen;
  • Einsetzung von Untersuchungsbeauftragten; und
  • Entzug der Bewilligung, der Anerkennung oder der Zulassung.

  • Grundrechtsbindung der AO

Die AO als beliehene Private sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an die Grundrechte gebunden. Dabei sind die Wirtschaftsfreiheit i.S.v. Art. 27 BV und die allgemeinen Verfahrensgarantien gemäss Art. 29 BV von besonderer Bedeutung.

Rechtsschutz

  • A priori kein Rechtsschutz

Mangels verfügungsförmigen Handelns stellen Anordnungen der AO kein Anfechtungsobjekt dar, sondern nur formfreie Akte, die als solche nicht ohne Weiteres anfechtbar sind. Da es sich bei den AO nicht um Behörden im verwaltungsrechtlichen Sinn handelt, kann über eine Anordnung auch nicht eine anfechtbare Verfügung gemäss Art. 25a VwVG verlangt werden.

Es bleibt lediglich der Weg über das Verantwortlichkeitsgesetz. Bei einer Klage nach dem Verantwortlichkeitsgesetz handelt es sich aber nicht um ein Rechtsmittel, mit welchem die Rechtmässigkeit des Handelns der AO umfassend nachgeprüft werden könnte. Die Staatshaftung greift nur, wenn bewiesen wird, dass eine AO kausal und widerrechtlich einen Schaden verursacht hat.

Eine Zivilklage gegen eine AO kann nur in Bezug auf den Anschlussvertrag und den darin geregelten Gegenstand erhoben werden, nicht aber gegen auf öffentliches Recht gestützte Anordnungen der AO.

Diese Situation kann aufgrund der weitgehenden Befugnisse der AO im Rahmen der laufenden Aufsicht und der autonomen Rechtsauslegung und Anwendung (abgesehen von den Vorgaben der FINMA) zu Problemen im Rechtsschutz führen. Zudem können die AO einen erheblichen Druck auf die Beaufsichtigten ausüben, da sie die Einleitung eines Verfahrens von der FINMA veranlassen können. Dieses – gesetzlich sanktionierte – Damoklesschwert kann die Beaufsichtigten veranlassen, sich auf Anordnungen einzulassen, die sie nicht akzeptieren würden, wenn sie in Form einer Verfügung ergangen wären.

  • Rechtsschutz unter der Bundesverfassung und der EMRK

Grundrechtsverletzungen durch Ausführende staatlicher Aufgaben sind grundsätzlich justiziabel und direkt einklagbar. Bei Eingriffen in die individuelle Rechtsposition verleiht Art. 29a BV bei Rechtsstreitigkeiten einen Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Der anfechtbare Verwaltungsakt muss nicht in Form einer Verfügung ergangen sein. Die richterliche Beurteilung kann durch Gesetz in Ausnahmefällen beschränkt oder ausgeschlossen werden, sofern der gebotene Rechtsschutz für Rechtsstreitigkeiten aus nicht verfügungsmässigen Staatshandeln anderweitig – etwa in der Form eines Anspruchs auf Erlass einer Verfügung über die Rechtmässigkeit von Realakten – sichergestellt wird.

Im Fall der AO besteht kein expliziter gesetzlicher Ausschluss des Beschwerdewegs. Aufgrund mangelnder Stellung der AO als Behörde kann jedoch über ihre Anordnungen auch keine Verfügung verlangt werden, obwohl Anordnungen der AO in individuelle Rechtspositionen der Beaufsichtigten eingreifen können. Bereits aus diesem Grund wird die direkte Anfechtbarkeit von Anordnungen der AO unter Art. 29a BV gegeben sein. Dies ist umso mehr der Fall, als Anstände über Bewilligungen und ordnungsgemässen Zugang zu einem Gericht verleihen. Da AO mit der Ausführung staatlicher Aufgaben beliehen sind, sind Streitigkeiten über deren Anordnungen – welche für die Ausübung der Tätigkeiten der Beaufsichtigten bewilligungsrelevant sind – als zivilrechtliche Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK zu sehen.

  • Rechtsschutz via FINMA?

Das FINMAG äussert sich nicht zur Frage, ob in Bezug auf die Anordnungen von AO eine anfechtbare Verfügung der FINMA erzwungen werden kann. Es steht der FINMA offen, "die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen", wenn die AO ihren Aufgaben nicht oder nur mangelhaft nachkommen. Dabei bleibt aber unklar, ob die FINMA auf Initiative eines Beaufsichtigten tätig werden muss. Im Licht der verfassungs- und EMRK-rechtlichen Verfahrensgarantien ist zu fordern, dass die FINMA im Konfliktfall zwischen einer AO und einem Beaufsichtigten den Sachverhalt abklärt und feststellt. Entscheidet sich die FINMA in einem solchen Fall nichts zu tun oder bestätigt sie die Auffassung der AO, kann der Beaufsichtigte bei einem schutzwürdigen Interesse von der FINMA eine Feststellungsverfügung i.S.v. Art. 25a VwVG verlangen, welche ihm den ordentlichen Rechtsmittelweg nach VwVG eröffnet.

Aufgrund der Rechtsunsicherheit, welche in Bezug auf ein direkt gestützt auf Art. 29a BV und/oder Art. 6 Abs. 1 EMRK ergriffenes Rechtsmittel besteht, wäre diese Vorgehensweise zu begrüssen. Dies auch darum, weil es sich bei der FINMA um die Fachbehörde handelt, welche die AO beaufsichtigt. Fraglich bleibt allerdings, ob durch diese Extraschlaufe über die FINMA dem in Art. 29 Abs. 1 BV verbrieften Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung Genüge getan würde.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Dr. Kaspar Luginbühl (Partner, Zürich), Stéphanie Hodara El Bez (Partnerin, Genf) oder Roger Bächinger (Associate, Zürich).